EuGH kippt Arzneimittel-Preisbindung
Folgen für Medikamentenversorgung
Rezeptpflichtige Medikamente sind in Deutschland überall zum gleichen Preis erhältlich. Die Preisbindung verstößt jedoch gegen europäisches Recht, urteilte der Euopäische Gerichtshof (EuGH) am Morgen des 19.10.2023 in Luxemburg.
Die deutsche Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente kann Pharmaunternehmen außerhalb Deutschlands den Zugang zum deutschen Markt erschweren. Eine Beschränkung des freien Warenverkehrs könne zwar mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens gerechtfertigt werden, doch die Preisbindung sei hierfür nicht geeignet, erklärten die Richter des EuGH.
Vorteile der Preisbindung für Kunden
Mit der Preisbindung wollte das deutsche Bundesgesundheitsministerium verhindern, dass Medikamente zu teuer werden. Außerdem trug die Preisbindung dazu bei, dass die Krankenkassenbeiträge niedrig blieben. Zudem sollten die Wettbewerbsbedingungen für alle Akteure auf dem Markt gleich bleiben. Die Preisbindung für rezeptpflichtige Medikamente gewährleistete darüber hinaus, dass Apotheken in Deutschland flächendeckend Kunden mit Arznei versorgen können.
EuGH entscheidet grundsätzlich über Preisbindung
Das Urteil wurde im folgenden Fall gefällt: Die Selbsthilfeorganisation Deutsche Parkinson Vereinigung führte eine Kooperation mit einer niederländischen Versandapotheke. Mitglieder erhielten von der Apotheke Boni für rezeptpflichtige Medikamente. Dagegen hatte die deutsche Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf geklagt. In erster Instanz hatte der Kläger Recht bekommen. Anschließend hatte das Gericht den EuGH einbezogen, der grundsätzlich über die deutsche Preisbindung bei rezeptpflichtigen Medikamenten entschied.
Wie das Bundesgesundheitsministerium das Urteil umsetzen wird, ist noch unklar. Klar ist jedoch, dass dies spürbare Folgen haben wird für deutsche traditionelle Apotheken und für die Kunden.
Apotheker: Urteil gefährdet nationale Gesundheitssysteme
Apotheker vor Ort haben oftmals einen engeren finanziellen Spielraum, sodass eine Umsetzung des Urteils in Deutschland für den wirtschaftlichen Betrieb der Apotheker schwierig werden könnte. Die Apotheker in Deutschland sehen das Urteil des EuGH daher kritisch. „Europas höchste Richter haben den eindeutigen Willen des deutschen Gesetzgebers ausgehebelt und die Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte negiert“, kommentiert Friedemann Schmidt, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). „Damit hat der EuGH in ein Politikfeld eingegriffen, das gemäß den Europäischen Verträgen den Mitgliedstaaten vorbehalten ist. Es kann nicht sein, dass ungezügelte Marktkräfte über den Verbraucherschutz im Gesundheitswesen triumphieren. Jetzt ist die deutsche Politik gefordert! Der Gesetzgeber muss schon aus eigenem Interesse seinen Handlungsspielraum wiederherstellen. Eine denkbare Lösung wäre ein Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln in Deutschland. Europarechtlich wäre das zulässig. Klar ist, dass die Arzneimittelpreisverordnung für deutsche Apotheken weiterhin gilt.“